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SOMAK: Eine große Bereicherung unter den Fortbildungen

Ganz aus der Nähe und aus der Ferne, junge Neulehrer, erfah­rene Lehrkräfte — die Teilnehmenden der Sommerakademie sind wie in jedem Jahr bunt gemischt und verkör­pern bereits das zentrale Thema „Vielfalt“.

Doch in einem waren wir alle geeint, Interesse, Lust und Freude am Theater mit dem Drang, selbst wieder aktiv zu werden.

Nach einer ersten Begrüßung und einem gemein­sa­men Warm-up zum Kennenlernen ging es auch schon in die unter­schied­li­chen Workshops. Die Auswahl war wie in jedem Jahr hoch­ka­rä­tig und die Entscheidung fiel gar nicht so leicht.

Liz Rechs Workshop „Diversity can inspire“ sensi­bi­li­sierte die Teilnehmenden hinsicht­lich der Vielfalt in verschie­de­nen Theatergruppen.

Die Schüler*innen, die als Mitwirkende in Theaterprojekten agie­ren, sind viel­fäl­ti­ger gewor­den – und das ist gut so. Die Vielfalt reicht über kultu­relle, sozio­öko­no­mi­sche und reli­giöse Hintergründe hinaus und umfasst auch indi­vi­du­elle Identitäten und Lebensweisen. Sie ordnen sich als Frauen oder Männer dem tradi­tio­nel­len Geschlechterbild zu oder agie­ren jenseits binä­rer Kategorien, leben in hete­ro­se­xu­el­len oder gleich­ge­schlecht­li­chen Beziehungen oder haben unter­schied­li­che Hautfarben und Körpermerkmale. Einige leben mit unsicht­ba­ren chro­ni­schen Erkrankungen oder physi­schen oder psychi­schen Einschränkungen. Ziel sollte es sein, allen eine diskri­mi­nie­rungs­freie Teilhabe am künst­le­ri­schen Prozess zu ermög­li­chen. Das bedeu­tet, dass wir Fragen des Zugangs – einschließ­lich mögli­cher Barrieren im Probenprozess – und die verschie­de­nen Dimensionen der Diskriminierung und deren Verschränkung (Intersektionalität) aktiv reflek­tie­ren müssen.

Und es bedeu­tet, dass wir diverse Gruppen als Chance begrei­fen und ästhe­ti­sche Umsetzungen entwi­ckeln müssen, die das in den Gruppen vorhan­dene Potential auch sicht­bar macht.

Im Workshop wurde nach krea­ti­ven Lösungen im Umgang mit diver­sen Gruppen gesucht. Wie kann Mehrsprachigkeit im perfor­ma­ti­ven Kontext genutzt werden? Wie kann ein zeit­ge­mä­ßer thea­ter­päd­ago­gi­scher Umgang mit Geschlechterstereotypen ausse­hen? Wie kann Zukunft des neuen Theaters ausse­hen, in der es endlich auch ganz offi­zi­ell mehr als zwei Geschlechter gibt? Wie können wir Schüler*innen spie­le­risch dazu einla­den, Geschlechterrollen anders zu perfor­men? Und wie kann durch choreo­gra­phi­sche Praktiken in hete­ro­ge­nen Gruppen eine neue Form der Kollektivität herge­stellt werden? Diese und andere Fragen beschäf­tig­ten uns während des Workshops.

Der Workshop EinzigARTig von Marco Jodes stellte sich die Frage, wie viel Vielfalt in jedem steckt und setze dies in Bewegung um. Marco Jodes beschreibt seinen Ansatz:

EinzigARTig ist eine Weiterführung der ersten künst­le­ri­schen Auseinandersetzung mit Diversität und Vielfalt aus dem Jahr 2013. Eine 60-köpfige Gruppe junger Erwachsener unter­suchte dieses Thema während eines 5‑tägigen euro­päi­schen Theateraustauschs und stellte dabei die Frage, „Welche Vielfalt schlum­mert in Dir?“ unter dem Motto „bunte Individualität“ in den Fokus.

Die Sommerakademie gibt uns Raum und Gelegenheit, mit diesem bren­nen­den Thema einen Schritt weiter­zu­ge­hen! Das Thema Identität star­tet für mich nicht im Aussehen. Es star­tet im Fühlen, im EMP-FINDEN und dem körper­li­chen BE-FINDEN wie dich Ereignisse, Äußerungen und Menschen bewe­gen. Als Tänzer faszi­niert mich diese tiefste, innerste und körper­li­che Ebene der Empfindsamkeit und wie ich sie als Bewegung veräu­ßern kann.

Fernab von „Darstellung“ suche ich über einen authen­ti­schen Zugang einen Bewegungsfluss.

Wir unter­su­chen und gestal­ten im Folgenden, was sich darin für den Zuschauenden erzählt.

Im Laufe der Probenarbeit entwi­ckeln wir gemein­sam einen szenisch-choreo­gra­fi­schen SCORE, eine Landschaft, in der wir uns gemein­sam impro­vi­sie­rend bewegen.

Methodisch arbei­ten wir mit einem choreo­gra­fi­schen Best-Practice-Koffer, der sich in 17 Jahren Vermittlungsarbeit entwi­ckelt hat und der sich ebenso univer­sell und problem­los von Nicht-Tänzer*innen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen einset­zen lässt.“

Beeindruckend zeig­ten die Teilnehmenden ihre Bewegungslandschaft und ließen die Zuschauer in verschie­de­nen Assoziationen treiben.

Sabine Kündigers Workshop „Körper – Bild – Bewegung – Vielfalt“ brachte die Vielfalt auf die Bühne, hier­bei wurde der ganze Raum belebt. Ein steter Wechsel zwischen indi­vi­du­el­lem Spiel, perfor­ma­ti­ven Ansätzen und grup­pen­dy­na­mi­schen Prozessen, wie beweg­ten Tableaus, machte die Präsentation abwechs­lungs­reich, begeis­terte das Publikum und brachte uns immer wieder herz­haft zum Lachen. Der gesamte große Brandenburgsaal wurde bespielt, mit Atmosphäre gefüllt und erfahrbar.

Performative szeni­sche Prozesse wurden im Workshop metho­disch-didak­tisch begreif­bar vor- und aufbe­rei­tet und können von den Teilnehmenden direkt im schu­li­schen Alltag ange­wen­det werden.

Auf der Grundlage von Sabine Kündigers Grundlagenwerk „Praxis Schultheater“ wurde mit unter­schied­li­chen Ansätzen gear­bei­tet, z.B. chori­schem Agieren, Nähe und Distanz, statua­ri­schen Ausdrucksformen bis hin zu großen beweg­ten Tableaus. Durch diesen Einblick lässt sich noch effi­zi­en­ter und viel­fäl­ti­ger mit dem Grundlagenwerk arbeiten.


Am Samstagabend gab es die kultu­rel­len Höhepunkte. Zunächst begeis­terte Anna Dieterich mit ihrem Sprechtheaterstück „Das Twittern der Nachtigall und andere Geschichten aus der Antiken MeToologie“. Das Stück verbin­det Ovids Metamorphosen mit der #MeToo Bewegung. In Ovids Mythensammlung werden die Frauen verwan­delt, um sie zum Schweigen zu brin­gen. Wer partout nicht schwei­gen will, dem wird die Zunge heraus­ge­ris­sen. Die Rede, beson­ders die öffent­li­che, bleibt Sache der Männer – bis heute werden Frauen nicht gehört oder über­hört. Eben mund­tot gemacht. Ist #MeToo ein Wendepunkt? Die Zuschauer wurden beein­druckt, was man mit einer gut ausge­bil­de­ten Stimme alles machen kann und wie man einen ganzen Raum ausfüllt. Zunächst sprach­los und nach­denk­lich, jedoch aufge­for­dert, nicht schwei­gend zuzu­se­hen und die eigene Stimme zu erhe­ben, blie­ben die Zuschauer beein­druckt zurück. So ist es nach­voll­zieh­bar, dass nicht direkt im Anschluss mit dem Tanz bei der Disco der Abend ausklin­gen konnte.

Am Ende der Sommerakademie zeigte sich in unse­rer ganzen Vielseitigkeit doch die Einigkeit. Wir alle waren beseelt, haben wunder­bare Tage zusam­men genos­sen, gehen mit neuer Energie in die wohl­ver­dien­ten Ferien und freuen uns schon auf ein Wiedersehen im nächs­ten Jahr.

Sebastian Grese